Landesregierung will Rechtsverordnung zur Kündigungssperrfirst neu fassen
Stellungnahme des Mieterbunds Baden-Württemberg
Stellungnahme zur Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung der Gebiete mit verlängerter Kündigungssperrfrist bei Wohnungsumwandlungen in Eigentumswohnungen
(21.5.2020). Der Deutsche Mieterbund Baden-Württemberg begrüßt die Verlängerung der Kündigungs-sperrfristverordnung Baden-Württemberg und die damit verbundene Erweiterung der Gebietskulisse der Verordnung auf 89 Städte und Gemeinden.
Durch die steigende Einwohnerzahl und gesellschaftliche Veränderungen ist in den letzten Jahren die Wohnungsnachfrage stark gestiegen. Die Neubauraten halten mit dem ständig wachsenden Wohnungsbedarf nicht Schritt. Die auf Grund der Empfehlungen der Wohnraum-Allianz verbesserten Landeswohnbauförderprogramme leicht steigenden Baufertigstellungs-zahlen der Jahre 2017 und 2018 rechtfertigen nicht von einer Trendwende zu sprechen. Nach wie vor deckt der jährliche Wohnungsneubau nur etwa die Hälfte des Bedarfs. Die in der Prog-nos-Studie im Basisjahr 2015 festgestellte „Wohnungsbaulücke“ von 88.000 Wohnungen hat sich deutlich vergrößert.
Durch das Auslaufen der Bindungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau, aufwändige Modernisierungen und durch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verringert sich insbesondere der Bestand an bezahlbaren Wohnungen kontinuierlich.
Mit der Kündigungssperrfrist (§ 577a BGB), die der Bundesgesetzgeber 2001 ins BGB aufgenommen hatte, soll verhindert werden, dass günstiger Mietwohnraum durch Umwandlung in Eigentumswohnungen den Wohnungsmärkten entzogen wird. Gewachsene Mieterstrukturen sollen erhalten werden.
Der Bundesgesetzgeber ermächtigt die Länder in Gebieten, in denen die ausreichende Versorgung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, die Kündigungssperrfrist von drei auf bis zu zehn Jahren zu verlängern. Die entsprechende Lan-desverordnung kann bis zu zehn Jahre Gültigkeit besitzen.
Die Kündigungssperrfristverordnung Baden-Württemberg, die nun verlängert werden soll, schreibt eine Kündigungssperrfrist von nur fünf Jahren vor. Diese Frist reicht nicht aus, um Mieterinnen und Mieter wirksam vor Verdrängung durch spekulative Umwandlungsaktivitäten zu schützen.
Die Umwandlung von Mietwohnungen führt häufig dazu, dass einkommensstärkere Erwerber die ehemaligen Mieter mittels Eigenbedarfskündigung verdrängen. Damit stabile Quartiers-strukturen erhalten und nachhaltig gestärkt werden können, muss angesichts der stark angespannten Situation auf den baden-württembergischen Wohnungsmärkten, die Kündigungssperrfrist auf 10 Jahre erweitert werden, da nur eine solch lange Kündigungssperrfrist dem Erwerber eine geringe Perspektive zur Selbstnutzung durch Verdrängung gibt. Unser Nachbarbundesland Bayern, das eine vergleichbaren Wohnungssituation aufweist, schützt Mieterinnen und Mieter in 162 bayrischen Städten durch eine zehnjährige Kündigungssperrfrist vor der Verdrängung. Die Verlängerung der Kündigungssperrfrist auf 10 Jahre bei gleichzeitiger Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung auf 10 Jahre gibt Mieterinnen und Mietern einen verlässlichen Bestandsschutz.
Mietpreisbegrenzungsverordnung, Kappungsgrenzenverordnung und Kündigungssperr-fristverordnung sind drei Instrumente zur Erhaltung stabiler Quartierstrukturen, die sich gegenseitig ergänzen. Alle drei Verordnungen begrenzt der Bundesgesetzgeber auf Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten. Es ist daher folgerichtig, wenn zukünftig für alle drei Landes-verordnungen die gleiche Gebietskulisse gelten wird.
Wie bereits in unserer Stellungnahme zur Mietpreisbegrenzungsverordnung dargelegt, hat das F+B-Institut die Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten in Baden-Württemberg nach nachprüfbaren wissenschaftlichen Kriterien plausibel ermittelt. Das Gutachten stellt somit eine Untersuchung aller baden-württembergischen Wohnungsmärkte nach einheitlichen Gesichtspunkten dar.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Erweiterung der Gebietskulisse ausgeschlossen ist. In der Begründung des Bundesgesetzgebers zu § 556d BGB wird darauf hingewiesen, dass die Kriterien zur Bestimmung eines angespannten Wohnungsmarktes, die vom F+B-Institut aufgenommen wurden, keine starren Vorgaben darstellen. Letztlich muss „aus der Gesamtschau unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten“ entschieden werden. Die Aufnahme weiterer Städte in die Kündigungssperrfristverordnung Baden-Württemberg muss möglich sein, wenn die Aufnahme mit belastbaren Fakten begründet wird. Die Gleichbehandlung der Einwohner in allen Städten und Gemeinden Baden-Württembergs erfordert bei einem nachweislich angespannten Wohnungsmarkt die Aufnahme in die Gebietskulisse. Der Verordnungstext sollte daher ergänzt werden: Städte und Gemeinden haben das Recht einen begründeten Antrag auf Aufnahme in die Gebietskulisse der Kündigungssperrfristverordnung Baden-Württemberg zu stellen, über den die Landesregierung in einer angemessenen Frist entscheidet.
Stellungnahme des Mieterbunds Baden-Württemberg zur Kündigungssperrfristverordnung zum Download